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Zürich, Schweiz, 5. September 2005 Die neue drahtlose Übertragungstechnik "Ultra-Breitband" (Ultra-Wideband, UWB) steht unmittelbar vor der Markteinführung. Das zeigte die "2005 IEEE International Conference on Ultra-Wideband" (ICU 2005) Anfang September an der ETH Zürich mit einer Reihe von Fachvorträgen, Expertendiskussionen und Demonstrationen. Die UWB-Technologie erlaubt zum Beispiel einem hoch auflösenden Flachbildschirm, der im Wohnzimmer hängt, drahtlos das Fernseh- oder DVD-Programm zu empfangen, einer Digitalkamera in Sekunden Bilddaten mehrerer Gigabyte an den Drucker oder PC zu funken, und Sensoren innerhalb von Gebäuden, eine dreidimensionale Ortung mit hoher Genauigkeit vorzunehmen. Die UWB-Technologie befindet sich auch unmittelbar vor der weltweiten Regulierung und Standardisierung.
Bereits im nächsten Jahr werden die ersten UWB-Massenprodukte erwartet. "Eine weltweit brauchbare, kompatible Regulierung vorausgesetzt, könnte hier nach WLAN und Bluetooth der nächste Megamarkt für drahtlose Kommunikation über kurze Strecken entstehen", sagt Dr. Walter Hirt, Wissenschaftler am IBM Forschungslabor in Rüschlikon. Zusammen mit der ETH Zürich zeichnet das IBM Forschungslabor für die Organisation der ICU 2005 Konferenz verantwortlich. "Auch im Bereich der drahtlosen Sensornetzwerke sowie für RFID und Lokalisierungsanwendungen hat die UWB-Technologie ein ähnlich grosses Potential", ergänzt Dr. Gabriel Meyer vom Institut für Kommunikationstechnik an der ETH Zürich.
Extrem hohe Übertragungsgeschwindigkeiten
Komplementär zu Bluetooth und WLAN steht mit UWB bereits die
nächste drahtlose Funktechnologie zur Überbrückung
kurzer Strecken in den Startlöchern. UWB ermöglicht extrem
hohe Übertragungsgeschwindigkeiten von heute bis zu 480 Millionen
bit pro Sekunde (480 Mbit/s). Die auf der ICU 2005 für die
kommenden Jahre in Aussicht gestellten Datenraten reichen bis zu
über 1000 Mbit/s. Im Vergleich: Die aktuelle WLAN-Generation
kommt auf maximal 54 Mbit/s. Die enorme Geschwindigkeit von UWB
wird etwa erreicht, indem extrem kurze Impulse über einen entsprechend
breiten Teil des Frequenzspektrums geschickt werden - derzeit weltweit
diskutiert wird vor allem der Bereich zwischen 3,1 und 10,6 Gigahertz
(GHz).
Lizenzfreie Nutzung
Allerdings muss UWB dieses Frequenzband teilweise mit existierenden und zukünftigen Radiodiensten teilen, u.a. dem 5 GHz WLAN und dem stehenden WiMax. Damit es hier zu möglichst wenig Konflikten kommt, hat die amerikanische Regulierungsbehörde FCC im Jahr 2002 erstmals die maximale UWB-Sendeleistung bei 75 Milliardstel Watt pro MHz (75 nW/MHz) definiert und unterhalb dieser Grenze die lizenzfreie Nutzung von UWB im oben genannten Frequenzbereich freigegeben. Bei typischen Signalbandbreiten von bis zu mehreren GHz können mit dieser äusserst kleinen Sendeleistung, je nach geforderter Datenrate, Reichweiten von einem bis mehreren zehn Metern erzielt werden.
Damit kommt UWB für eine Vielzahl interessanter Anwendungen in Frage:
- Heimanwendungen: Mit UWB liessen sich viele Anwendungen im Hause kabellos vernetzen — DVD-Gerät mit Projektor oder Bildschirm, die Stereoanlage mit den Lautsprechern, PCs mit Peripheriegeräten, usw.
- Wireless USB: Die USB-Verbindungen haben sich in vielen Bereichen durchgesetzt, die meisten mobilen Geräte werden heute darüber an den PC angeschlossen. Mit UWB könnte man auf das Kabel verzichten: eine mobile Festplatte würde einfach neben den Rechner gestellt werden, die digitale Kamera würde in Sekunden sämtliche Bilder von mehreren Gigabyte an den Rechner funken.
- Sensorik: Die hohe Signalbandbreite ermöglicht in Sensorik-Anwendungen exakte räumliche 3D-Ortungen von UWB Signalquellen im Bereich weniger Dezimeter. In Krankenhäusern etwa könnten das Personal und wichtige mobile Objekte mit entsprechenden Sendern ausgestattet sein. So wären zum Beispiel Ärzte und Geräte von einer Zentrale aus stets genau zu lokalisieren.
Angesichts dieser vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ist es nur verständlich, wenn ein Grossteil der IT-Industrie und viele wissenschaftliche Institute intensiv an Verfahren, Lösungen und Produkten arbeiten. Die Bedeutung, die UWB zugemessen wird, spiegelt sich auch in der Tatsache, dass die Europäische Union mit "PULSERS" ein ambitioniertes Forschungsprojekt unterstützt. Das Vorhaben bündelt die Zusammenarbeit von 30 industriellen und universitären Organisationen aus zwölf Ländern. Mit veranschlagten Projektkosten von rund 40 Mio. Euro ist es eines der grösseren EU-Forschungsvorhaben. Zu den beteiligten Organisationen zählen auch die ETH Zürich und das IBM Forschungslabor in Rüschlikon. Ziel von PULSERS ist die Entwicklung von UWB-Technologie für zwei sehr unterschiedliche aber komplementäre Anwendungen: Systeme zur Übertragung grosser Datenmengen mit sehr hoher Datenrate sowie drahtlose Sensornetzwerke, die sowohl kleinere Datenmengen transportieren als auch die genaue Lokalisation von Objekten anbieten können.
Regulierungsbestrebungen
Doch so faszinierend die möglichen UWB Anwendungen derzeit scheinen, so umfangreich das Marktvolumen geschätzt wird, so schwierig gestalten sich die globale Regulierung und Standardisierung. Derzeit ist die FCC weltweit die einzige Regulierungsbehörde, die klare Regeln verabschiedet hat. Kürzlich hat Japan eine ähnliche aber vorerst im Frequenzbereich restriktivere UWB-Regulierung in Aussicht gestellt. In Europa befürchten Lizenznehmer eine Beeinträchtigung ihrer Dienste durch UWB und argumentieren daher teilweise für eine deutlich niedrige Sendeleistung von UWB-Geräten als sie die FCC erlaubt. Die weltweite Einführung von "UWB" fordert deshalb wohl momentane Kompromisse. Um zu ermöglichen, dass die bestehenden Frequenzbereiche nicht nur exklusiv, sondern auch flexibel und effizienter genutzt werden können, sei es durch UWB oder eine andere noch unbekannte Technologie, braucht es in der Zukunft noch innovativere technische und politische Konzepte.
Dass jedoch auch die Europäer einen möglichen neuen Megamarkt im Entstehen sehen und daran partizipieren wollen, hat unlängst eine von der englischen Regulierungsbehörde Ofcom in Auftrag gegebene Studie gezeigt. Sie stellt fest: "Als wichtigstes Ergebnis zeigt unsere Untersuchung, dass UWB in den kommenden 15 Jahren einen Milliarden-Wertbeitrag zur englischen Volkswirtschaft leisten kann". "Daher rechnen wir in PULSERS fest damit, dass auch in Europa die Regulierung dieser etwas unkonventionellen Radiotechnologie in einem für alle Beteiligten befriedigenden Rahmen festgelegt wird", sagt IBM Forscher Hirt.