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Das Battery 500-Projekt: 800 km Reichweite für Elektroautos

IBM Research erforscht Lithium-Luft-Batterien für die Elektromobilität. Projekt wird am CeBIT 2012 vorgestellt.

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Rüschlikon, Schweiz, 5. März 2012—Im Rahmen des IBM Battery 500-Projekts (NYSE: IBM) arbeitet ein interdisziplinäres Konsortium unter der Leitung von IBM Research – Almaden (Kalifornien) an einer Lithium-Luft-Batterie, die die Reichweite eines Elektroautos auf 500 Meilen (ca. 800 Kilometer) erhöht. Dies entspräche in etwa der fünffachen Reichweite der gegenwärtig mit einer Batterieladung möglichen Fahrleistung von rund 150 Kilometern. Ist das Projekt erfolgreich, würden batteriebetriebene Autos endlich alltagstauglich und das größte Hindernis für deren Akzeptanz aus dem Weg geräumt. Denn für 64 Prozent der Verbraucher – dies ergab eine von IBM durchgeführte Studie – ist die mangelnde Reichweite das stärkste Argument gegen den Einsatz von Elektrofahrzeugen.

Der Übergang vom Benzin zur Elektrizität als wichtigste Energiequelle für Fahrzeuge könnte einen der größten technologischen Wendepunkte in der modernen Industriegeschichte markieren. Doch der langsame Fortschritt in der Entwicklung leistungsstarker Batterien und die hohen Herstellkosten sind bisher die limitierenden Faktoren für die Akzeptanz und großmaßstäbliche Entwicklung von Elektroautos. Zu groß ist die Furcht der Verbraucher, irgendwo mit einer leeren Batterie liegen zu bleiben. Denn immer noch liegt der Aktionsradius der meisten batteriebetriebenen Fahrzeuge bei nur rund 150 Kilometern und es erscheint unwahrscheinlich, dass mit den derzeitigen Batterietechnologien — bei einem akzeptablen Fahrzeuggewicht und Kosten — jemals alltagstaugliche Reichweiten erzielt werden können.

Lithium-Ionen-Akkus, wie sie in Handys oder Notebooks eingesetzt werden, erreichen nur einen Bruchteil der Energiedichte — die Energiemenge, die pro Masseneinheit oder pro Volumeneinheit gespeichert werden kann — von fossilen Treibstoffen wie Benzin oder Diesel. Daher ist diese Batterietechnologie für Elektroautos derzeit allenfalls für Kurzstrecken oder in Hybridantrieben interessant. Wenn sich diese Situation grundlegend ändern soll, braucht es neue Batterietypen als Lithium-Ionen-Akkus mit signifikant höheren Energiedichten. IBM, Patentweltmeister und seit Jahrzehnten in der Grundlagenforschung aktiv, hat mit dem Battery 500-Projekt einen neuen Weg eingeschlagen. Dabei kann die IBM Forschung auf jüngste Fortschritte in der Materialwissen-schaft, der Nanotechnologie, der Chemie und dem Supercomputing zurückgreifen.

Seit Sommer 2009 arbeitet ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern bei IBM Research in Almaden (Kalifornien) und Zürich gemeinsam mit weiteren führenden Universitäten, Firmen und Forschungsinstituten an der Erforschung einer so genannten Lithium-Luft Batterie. Ziel ist es, eine Batterie zu entwickeln, die im Vergleich zu heutigen Lithium-Ionen-Akkus eine bis zu zehnfach höhere Energiedichte aufweist und Elektroautos damit Reichweiten von bis zu 500 Meilen oder 800 Kilometern verleiht. „Mit der Lithium-Luft-Batterietechnologie können wir möglicherweise einen Quantensprung erzielen, der der Elektromobilität zum Durchbruch verhilft“, erklärt Dr. Winfried Wilcke, Initiator und Projektleiter des Battery 500-Projektes bei IBM Research – Almaden. „Auch mit diesem Projekt verfolgen wir die Vision eines ‚Smarter Planets‛, bei dem neue Mobilitätskonzepte eine unverzichtbare Rolle spielen.“

„Luftiges“ Energiebündel

Ein grosser Vorteil der Lithium-Luft-Batterie ist, dass sie Sauerstoff aus der Umgebungsluft als Reaktionspartner nutzt. Dieser kann in der Kathode in leichten Nanostrukturen aus Kohlenstoff eingelagert werden. Sie ist damit in der Lage, signifikant mehr Energie pro Kilogramm Batteriegewicht zu speichern, als dies mit den heutigen Technologien möglich ist. Eine Modellrechnung macht die Vorteile deutlich: Eine heute gebräuchliche Lithium-Ionen-Batterie mit 50 Kilowattstunden (kWh) Energiegehalt hat ein Gewicht von rund 500 kg. Für eine Reichweite von 800 Kilometern wäre ein Energiegehalt von 150 kWh erforderlich, was einem Batteriegewicht von hochgerechnet 1,5 Tonnen entspräche und damit unrealistisch für den praktischen Einsatz in Elektroautos ist. Nach Einschätzungen der Forscher würde eine 150 kWh-Lithium-Luft-Batterie dagegen ein Gewicht von „nur“ etwa 150–300 kg aufweisen.

Die theoretisch erreichbare spezifische Energie der Lithium-Luft-Batterie-technologie liegt — ohne Gewicht des Luftsauerstoffes — bei mehr als 11 kWh pro Kilogramm (kWh/kg). Die Forscher erwarten, dass eine praktische Lithium-Luft Batterie etwa ein Zehntel der theoretischen spezifischen Energie erreichen könnte. Berücksichtigt man zudem die relativen Wirkungsgrade von Verbrennungsmotoren und Elektromotoren, so sind die Unterschiede zu der „praktischen“ Energiedichte von Benzin oder Diesel nur mehr sehr gering, da Elektromotoren mit über 85 Prozent einen sehr hohen Wirkungsgrad aufweisen. Die Lithium-Luft-Technologie weist damit das größte Potenzial aller heute erforschten Batterietypen auf.

Die Batterie, die „atmet“

Der Grundaufbau einer Lithium-Luft-Batterie besteht — wie bei allen Batterien — aus zwei Elektroden. In diesem Fall aus einer Metall-Elektrode aus Lithium, der Anode, und einer sauerstoffdurchlässigen Elektrode aus einer leichten Kohlenstoffstruktur, der Kathode. Beim Entladen der Batterie geben die Lithium-Atome der Anode Elektronen ab und wandern dann als Lithium-Ionen durch einen elektrisch leitfähigen Elektrolyten zur Kathode, wo sie mit Sauerstoff aus der Luft reagieren und das Reaktionsprodukt sich dann an der Kathode absetzt. Beim Aufladen wird der während der Fahrt (dem Entladen) aufgenommene Sauerstoff wieder in die Atmosphäre abgegeben. Bildlich gesprochen „atmet“ die Batterie während des Entladens Sauerstoff ein und gibt diesen während des Ladevorgangs wieder ab.

IBM Forscher fokussieren in ihrem Projekt auf so genannte aprotische (oder nicht-wässrige) Lithium-Luft-Batterien, die organische Flüssigkeiten und Lithiumsalze als Elektrolyt nutzt. Beim Entladen der Batterie entsteht — aber nur wenn geeignete Elektrolyte verwendet werden — Lithium-Peroxid Li2O2, das in der Kathode der Batterie gespeichert wird. Während des Ladevorgangs bricht das Lithium-Peroxid auf in Sauerstoff, der an die Atmosphäre abgegeben wird, und Lithium, das sich an der Anode der Batterie ablagert.

Mit Simulation und Experiment zum Erfolg

Die Forscher haben bei ihrer Arbeit bereits einige wichtige Durchbrüche erzielt. So konnte im Labormaßstab erstmals die prinzipielle Funktionsfähigkeit und Wiederaufladbarkeit einer Lithium-Luft-Batterie demonstriert und eindeutig nachgewiesen werden. Der Schlüssel zu diesen ersten Erfolgen war ein Zusammenspiel von computerbasierten Simulationen und Experimenten. Das Team am IBM Forschungszentrum Zürich hat für das Projekt so genannte ab initio-Simulationen durchgeführt, um neue Einblicke in die Prozesse zu erhalten, die sich auf der molekularen Skala in der Batterie abspielen. Die Simulationen sind hochkomplex und nutzen nur grundlegende physikalische Gesetze und Modelle. Dadurch können Wechselwirkungen zwischen Atomen und Molekülen in einem System genau berechnet werden. Ausgeführt auf dem Petaflop IBM Blue Gene/P Supercomputer im US-amerikanischen Argonne National Laboratory haben diese Simulationen erstmals aufgezeigt, dass die bis dahin verwendeten Elektrolyten die in Lithium-Ionen-Batterien zum Einsatz kommen in einer Lithium-Luft-Batterie nicht funktionieren, was die bislang vorherrschende Meinung war.

„Mit unseren Simulationen konnten wir erstmals nachweisen, welche Prozesse bei der Entladung tatsächlich ablaufen. Der Kohlenstoff-basierte Elektrolyt reagiert unerwünscht mit dem Lithium-Peroxid und zersetzt sich bei dieser Reaktion. Das wirkt sich geradezu zerstörerisch auf die Lithium-Luft-Batterie aus“, erklärt Dr. Alessandro Curioni, Leiter der Forschungsgruppe Computational Sciences bei IBM Research – Zürich.

Mit einem eigens für das Battery 500-Projekt entwickelten Massenspektrometer konnte die in den Simulationen gezeigte Zersetzung des Elektrolyten dann auch experimentell eindeutig nachgewiesen werden. „Durch die Erkenntnisse aus Simulation und Experiment haben wir nun Elektrolyten identifiziert, die eine gute Stabilität aufweisen und mit denen wir die grundlegende Funktionstätigkeit von Lade- und Entladevorgang zeigen konnten“, so Projektleiter Wilcke. Zudem wurden bereits sehr hohe Ladungskapazitäten im Labor demonstriert. Ein weiteres grundlegendes Resultat ist die Erkenntnis, dass Katalysatoren — im Gegensatz zu lange gehegten Annahmen — nicht kinetisch notwendig sind. Dies ist der Fall, da die so genannten Überspannungen der fundamentalen elektrochemischen Reaktion 2Li+ + O2 + 2- <=> Li2O2 viel kleiner als ursprünglich gedacht sind. Dagegen ist die sehr geringe Leitfähigkeit von Lithium-Peroxid ein Problem, das noch gelöst werden muss.

Weiterhin eine „Grand Challenge“

Für die Forscher gibt es noch eine ganze Reihe weiterer veritabler Herausforderungen zu lösen, bevor ein praktischer Einsatz und die Herstellung einer Lithium-Luft-Batterie möglich werden. Daher gilt das Projekt bei IBM Research als eine so genannte „Grand Challenge“: ein ambitioniertes und risikoreiches Forschungsprojekt mit ungewissem Ausgang aber sehr hohem Potenzial – ähnlich der Entwicklung des Computersystems WATSON.

Momentan arbeiten die Forscher daran, die Leistungsdichte der Batterie zu erhöhen, die momentan für Elektromobilität noch viel zu gering ist. Eine weitere Herausforderung ist der derzeit noch zu langsame Ladeprozess. Eine Schnellaufladung in der Kaffeepause wird aber selbst damit nicht möglich. Die Forscher setzen auf das Aufladen über Nacht, was aufgrund der hohen Reichweite auch genügen sollte. Um das Problem der Luftfeuchtigkeit, die eine potenzielle Gefahr für das Lithium darstellt, zu lösen, arbeitet das Team zudem an neuartigen Nano-Membranen. Nur so kann die empfindliche Lithium-Anode vor Wasserdampf und Kohlendioxid in der Luft geschützt werden. Weitere Herausforderungen sind die langfristigen Stabilitäten der verwendeten Materialien und eine bessere Unterdrückung von unerwünschten Nebenreaktionen.

Wird die Forschungsphase erfolgreich abgeschlossen, könnte mit Industriepartnern die Entwicklung der Lithium-Luft-Batterie weiter vorangetrieben werden, um zwischen 2020 und 2030 kommerzielle Modelle zu realisieren.

Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie unter:
www.ibm.com/smarterplanet/us/en/smart_grid/article/battery500.html

Press contact

Grit Abe
Media Relations
IBM Research - Zurich
Tel +41 44 724 80 60

Press contact

Chris Sciacca
Media Relations
IBM Research - Zurich
Tel +41 44 724 84 43

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