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Zurich, Switzerland, 3. März 2005 Aufgrund der stark anwachsenden Datenmengen, die auf mobilen Geräten wie Handys oder PDAs abgerufen werden, nimmt der Bedarf an geeigneten Speichermedien mit immer größerer Kapazität zu. Auf der CeBIT zeigt IBM erstmals den MEMS* Prototypen eines nanomechanischen Datenträgers bekannt als "Millipede" Projekt. Mit revolutionärer Nanotechnologie ist es IBM Wissenschaftlern im Züricher Forschungslabor gelungen, in den Bereich der Millionstel Millimeter vorzudringen. So konnte bei der Speicherung von Daten eine Aufzeichnungsdichte von 1 Terabit (1000 Gigabit) pro Quadratzoll überschritten werden - was etwa dem Inhalt von 25 DVDs auf der Fläche einer Briefmarke entspricht.
Tausende von feinsten Spitzen "schreiben" winzige Vertiefungen in einen dünnen hochspezifischen Polymerfilm. Dabei repräsentiert jede Vertiefung einen Speicherzustand "1". Das Prinzip ist mit dem der früheren Lochkarte vergleichbar, nun aber mit Strukturgrössen im Bereich von Nanometern. Ein weiterer entscheidender Unterschied zur Lochkarte besteht darin, dass sich mithilfe der eingesetzten Technologie Bits löschen und überschreiben lassen.
Die hohe Speicherdichte von einem Terabit pro Quadratzoll wird mit Silizium-Spitzen erreicht, die Vertiefungen mit einem Durchmesser von circa 10 Nanometern erzeugen - 50'000mal kleiner als der Punkt am Ende dieses Satzes. Experimentelle Chips verfügen über mehr als 4000 solcher Spitzen, die in einem kleinen Quadrat von 6,4 Millimetern Seitenlänge angeordnet sind. Diese Dimensionen ermöglichen es, ein komplettes Speichersystem hoher Kapazität selbst in das kleinste standardisierte SD-Format für Flash-Memory zu packen.
In Laborversuchen wurde unlängst die technische Machbarkeit eines Produktes etwa hinsichtlich Speicherdichte, Leistung und Verlässlichkeit demonstriert. Während die heute eingesetzten Speichertechnologien allmählich an fundamentale Grenzen stoßen, hat der nanomechanische Ansatz ein enormes Entwicklungspotential: Speicherdichten, die molekularen Strukturgrössen entsprechen, erscheinen möglich. Zudem wurde dieser nanomechanische Datenträger hinsichtlich geringen Stromverbrauchs optimiert. Avisiert ist daher der Einsatzbereich in mobilen Geräten wie digitalen Kameras, Mobiltelefonen oder USB-Sticks. Andere mögliche Anwendungen sind beispielsweise Lithographie im Nanometerbereich oder atomare und molekulare Manipulation.
Mittels eines Videomikroskops können die Messebesucher in das Innere des Speicherbausteins vordringen und etwa beobachten, wie die Polymeroberfläche mithilfe eines mikromechanischen Mechanismus relativ zu den Spitzen bewegt wird. Eine Animation illustriert den aus parallelen Spitzen bestehenden Schreib- und Lese-Array und zeigt das Funktionsprinzip der einzelnen Spitzen und macht so auch die Vorgänge auf der Nanometerskala deutlich.
Technologischer Hintergrund
Kern der "Millipede"-Technologie ist eine zweidimensionale Anordnung von v-förmigen Silizium-Federzungen (Kantilever), die 70 Mikrometer (Tausendstel-Millimeter) lang sind. Am Ende jedes Kantilevers befinden sich neben der eigentlichen Schreibspitze sowohl ein Sensor von der Groesse eines Mikrometers zum Lesen als auch ein ebenso kleiner Heizwiderstand oberhalb der Spitze, der zum Schreiben benötigt wird. Die kegelförmige Spitze ist knapp 1 Mikrometer lang mit einem Radius von nur wenigen Nanometern am zulaufenden Ende. Die Zellen mit den Kantilevern sind in einem 10 mm x 10 mm großen Chip als Array angeordnet, das z.Zt. aus insgesamt 4096 (64x64) Kantilevern besteht. Die MEMS-Komponenten werden mittels etablierter Technologien aus einem Silizium-Einkristall herausstrukturiert. Der eigentliche Datenträger besteht aus einem nur wenige Nanometer dünnen Polymerfilm auf einem Silizium-Substrat. Die Spitzen können einzeln angesteuert jeweils das gewünschte Bit lesen, schreiben oder löschen.
Ein raffiniertes Design gewährleistet die exakte Nivellierung der Spitzen über dem Speichermedium und dämpft Vibrationen und Stöße von außen. Um hohe Datenraten zu erreichen, wird eine Schreib- bzw. Lese-Elektronik verwendet, mit der man viele Spitzen parallel betreiben kann. Elektromagnetische Aktuation bewegt das polymere Speichermedium auf dessen Oberfläche sehr präzise in x- und y-Richtung, so dass jede Spitze in ihrem Speicherfeld von 100 Mikrometer Seitenlänge lesen und schreiben kann. Die kurzen Distanzen tragen wesentlich zu einer schnellen Zugriffszeit bei.
Für die Funktionen des Gerätes, das heißt Lesen, Schreiben und Löschen bzw. Überschreiben, werden die Spitzen mit dem Polymerfilm in Kontakt gebracht. Das Schreiben von Bits erfolgt durch Aufheizen der Spitze auf eine Temperatur oberhalb der Glasübergangstemperatur des Polymers mit dem im Kantilever integrierten Heizwiderstand. Kommt die Spitze mit dem Polymer in Kontakt, wird dieses erhitzt und leichter verformbar. Dadurch kann die Spitze in das Polymer einsinken und eine Vertiefung von wenigen Nanometern hinterlassen. Das Polymer wird hierbei mechanisch verspannt. Zum Lesen wird der von der Spitze räumlich getrennte Lese-Sensor nur leicht erhitzt. "Fällt" nun die Spitze in eine Vertiefung, kühlt sich dieser wegen des geringeren Abstands zum Substrat ab, was zu einer messbaren Veränderung des Widerstands führt.
Das Überschreiben der Daten gelingt dank thermomechanischer Effekte. Diese führen dazu, dass die Verspannungen des Polymers im unmittelbaren Umkreis eines neu gesetzten Bits abgebaut werden. Somit lassen sich bestehende Vertiefungen durch das Erzeugen sehr naher neuer Vertiefungen wieder löschen. Deutlich mehr als 10'000 Überschreib-Zyklen haben den Nachweis erbracht, dass sich das Konzept für einen wiederbeschreibbaren Speichertyp eignet.
* MEMS: Micro-Electro-Mechanical System.