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Zürich, Schweiz, 15. September 2005 Der diesjährige Technologiepreis der Eduard-Rhein-Stiftung wurde heute im Deutschen Museum in München an zwei Forscher des Zürcher IBM Forschungszentrums verliehen. Gemeinsam mit Professor Hisashi Kobayashi von der Princeton University, wurden Dr. François Dolivo und Dr. Evangelos Eleftheriou für ihre revolutionären Beiträge zur Datenaufzeichnungstechnik von Festplattenspeichern ausgezeichnet. Diese ermöglichten es, Speicherdichte und Datenrate über mehrere Jahrzehnte signifikant zu erhöhen.
Der Eduard-Rhein-Preis ist eine der wichtigsten europäischen Auszeichnungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie.
Festplattenspeicher sind unverzichtbare Bestandteile von Computersystemen. Sie erlauben es, Daten und Programme sicher zu speichern, selbst wenn der Computer abgeschaltet wird. Um die gespeicherte Information wieder auszulesen, wurde zunächst die so genannte "Peak-Detection" Methode verwendet. Dabei werden die Bits im Lesesignal anhand eines einfachen Verfahrens detektiert. Abhängig davon, ob ein Signalpuls grösser oder kleiner als ein definierter Schwellwert ist, wird er als binäre "1" oder "0" erkannt. Mit zunehmender Speicherdichte und Datenrate stellten jedoch moderne Festplattenspeicher immer höhere Anforderungen an die zuverlässige Erkennung der Lesesignale, da diese sehr schwach und verzerrt sind sowie vom Rauschen des Speichermediums und der Elektronik überlagert werden.
Hisashi Kobayashi legte während seiner Tätigkeit am IBM Thomas J. Watson Forschungszentrum in Yorktown (USA) in den Jahren 1970/71 das theoretische Fundament für die Entwicklung neuartiger Detektionsverfahren. Als erster schlug er vor, ein Verfahren aus dem Bereich der Datenübertragung zur Erkennung der Bits im Lesekanal anzuwenden, und zwar "Partial-Response" Signalisierung in Kombination mit dem Viterbi Algorithmus zur "Maximum-Likelihood" Detektion. Dieser Algorithmus bestimmt alle möglichen Ereignisabfolgen, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben könnten, und wählt die wahrscheinlichste Sequenz aus. Kobayashis Analyse zeigte, dass ein auf diesen Prinzipien basierender Detektor deutliche Vorteile gegenüber dem Peak-Detection Verfahren aufweist.
Doch
es sollte noch einige Jahre dauern, bis eine Umsetzung in die Praxis
erfolgte. Erst die systematischen Untersuchungen möglicher
Signalverarbeitungsverfahren für Festplattenspeicher durch
den Zürcher IBM Forscher François Dolivo gaben
dazu in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre den Anstoss.
Dolivo und sein Team entwickelten eine neue Aufzeichnungstechnik,
die sie "Partial-Response-Maximum- Likelihood-Sequence-Detection"
(PRML) nannten.
Mit zunehmender Aufzeichnungsdichte steigt auch die gegenseitige Beeinflussung (Interferenz) der Signale. Eine mögliche Lösung wäre, einen Mindestabstand zwischen zwei Signalpulsen vorzuschreiben, was aber die Aufzeichnungsdichte limitieren würde. Eine zweite Lösung ist, diese Interferenzen auf kontrollierte Art und Weise zuzulassen. Und genau dies wird in PRML gemacht. Ein Modell wird erstellt, das beschreibt, welche Interferenzen erlaubt werden. Der PRML-Detektor erfasst und untersucht eine Signalsequenz und verwendet dann das erstellte Modell der Signalinterferenz, um die gespeicherten Informationen korrekt auszulesen. Dank seiner verbesserten Genauigkeit ermöglicht PRML höhere Speicherdichten und Datenraten. Die Arbeiten von Dolivo gipfelten 1990 in der Ankündigung des ersten industriellen Produktes mit dem neuen Aufzeichnungskanal. Die PRML-Technik wurde bald zum De-facto-Industriestandard und ermöglichte jährliche Zuwachsraten von 60% für die Speicherdichte und 40% für die Datenrate von Festplattenspeichern. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre machte dieser stetige Zuwachs der Speicherdichte und Datenrate schliesslich eine weitere Entwicklung dieses Verfahrens notwendig.
IBM
Forscher Evangelos Eleftheriou gelang es Anfang der neunziger
Jahre, ein neues Detektionsverfahren zu entwickeln, das einen weiteren
Kapazitätszuwachs ermöglichte. Dieses Verfahren, genannt
"Noise-Predictive-Maximum-Likelihood" (NPML) Sequenzdetektion,
besteht darin, die Korrelation des Rauschens im Lesesignal iterativ
vorherzusagen und durch entsprechende Filterung zu entfernen. In
diesem iterativen Prozess, der im Sequenzdetektor eingebaut ist,
wird ebenfalls die Rauschleistung herabgesetzt, d.h. das Signal-Rausch-Verhältnis
verbessert. Um ein möglichst zuverlässiges Resultat zu
erzielen, wird diese Rauschvorhersage in allen Einzelschritten
von der Detektion bis zur Signalnachbearbeitung eingesetzt.
Gegenüber des PRML-Verfahrens ermöglichte die NPML-Architektur
eine weitere Verbesserung der linearen Speicherdichte um 50 bis
60%. Im Jahre 2000 wurde sie in IBM Plattenspeicherprodukte eingeführt.
Heute sind die NPML-Technik und ihre Varianten in der Festplattenindustrie
breit akzeptierte Aufzeichnungstechniken.
Die Eduard-Rhein-Stiftung
Die Eduard-Rhein-Stiftung wurde 1976 ins Leben gerufen, um herausragende Forschungs- und Entwicklungsleistungen auf dem Gebiet der Rundfunk-, Fernseh- und Informationstechnik zu würdigen. Ihr Preis ist eine der wichtigsten europäischen Auszeichnungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie. Die Liste der internationalen Preisträger des Grundlagen- bzw. des Technologiepreises der Eduard-Rhein-Stiftung umfasst viele IT-Pioniere wie etwa Claude E. Shannon, den Vater der modernen Informationstechnologie, Konrad Zuse, der den ersten frei programmierbaren Rechner entwickelte, und Tim Berners-Lee, den Schöpfer des World Wide Webs.